„Immer“ ist ein guter Zeitpunkt für Mut.

Dieser Artikel handelt von PLANIERRAUPEN, MARKUS SÖDER, EUREN ELTERN, IDENTITÄT, DIGITALISIERUNG, MUT, ENTSCHEIDERN, MICROSOFT TEAMS, JUNIOR ENTREPRENEURS, DYNAMISCHEN DUOS, RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN und der BDSU kommt auch vor.

So. Nachdem ich nun die Aufmerksamkeit der LeserInnen habe, hier mein Appell für mehr Mut im BDSU, getarnt als Erfahrungsbericht über die Organisation des BDSU DIGITAL.EXCHANGE 2020 – #BDX20_:
Eigentlich habe ich gar keine Zeit diesen Blogartikel zu schreiben. Meine Bachelorarbeit sitzt mir im Nacken, die Steuer muss jetzt endlich mal gemacht werden und war da nicht noch eine Klausur irgendwann demnächst? Gerade ist einfach kein guter Zeitpunkt. Aus rätselhaften Gründen kam seit dem Event auch nie der perfekte Zeitpunkt, um den Erinnerungsschleier nochmal in Prosa zu fassen. Außerdem liest am Ende den Artikel hier bestimmt eh niemand. Oder den Anfang findet außer mir keiner lustig. Vielleicht stört sich vielleicht sogar jemand an irgendwas, dass ich hier schreibe?! Unterbewusst habe ich Angst vor der Veröffentlichung, ich verspüre Unsicherheit. Obgleich ein überlebenswichtiger Urinstinkt, ist Angst meist ein lähmendes, unangenehmes Gefühl. Nach den Erfahrungen als Projektleitung des ersten nationalen, rein digitalen Eventformats der BDSU Geschichte sollte ich besser abgehärtet sein. Bei der Durchführung des BDSU DIGITAL.EXCHANGE 2020 waren wir deutlich weniger zimperlich mit Zeitpunkten und Ängsten. Bevor wir überhaupt erst soweit kamen, ging es allerdings dem BDSU intern ähnlich wie mir gerade.

„Warum denn ausgerechnet jetzt? Lieber nichts überstürzen, bevor was schief geht!“

Zu Beginn der Corona Krise im März/April 2020 rückte der alljährliche BDSU Frühjahrskongress in Hannover immer näher und gleichzeitig in weite Ferne. Die Ansteckungsgefahr beispielsweise im Plenum oder auf der Firmenkontaktmesse war kaum abzusehen, Veranstaltungsverbote gingen durch die Medien und auch das finanzielle Risiko wurde untragbar. Bereits im März musste der Kongress schlussendlich abgesagt werden – zum zweiten Mal – in 28 Jahren Verbandsgeschichte. Alle Hotels und Locations mussten aufwändig storniert werden, Verträge mit knapp 30 Unternehmen wurden rück-abgewickelt und 400 Studentische UnternehmensberaterInnen saßen enttäuscht zuhause fest, statt wie ursprünglich geplant in Workshops mit zum Beispiel Accenture, BearingPoint oder MLP.

Was folgte war zunächst Leere. Wie sollte es weitergehen? Findet eine Alternative statt? Lässt sich die überhaupt planen, solange der Lockdown auf unbestimmte Zeit anhält? Dürfen wir uns dieses Jahr überhaupt nochmal persönlich treffen oder sowieso nur noch digital? Ergibt ein digitaler Kongress überhaupt Sinn? Schafft Microsoft Teams das überhaupt? Reicht die Zeit vor den Vorstandswahlen Mitte Mai? Die Angst, mit einer digitalen Veranstaltung zukünftige, physische Treffen gar zu kannibalisieren, wurde hitzig diskutiert. Im Kern wurden viele valide Herausforderungen aufgeführt, jedoch hatte sich mir durch die angedeutete Panikspirale eine ganz neue Frage gestellt: Wer sind wir eigentlich als BDSUlerInnen? Wie gehen wir mit der Krise um, im Vergleich zu Unternehmen und Institutionen? Würden wir unserem Selbstverständnis als Junior Entrepreneurs überhaupt noch gerecht, wenn ausgerechnet wir jetzt keine digitale Lösung fänden? Alles Fragen, auf die niemand so recht antworten konnte – oder wollte.

Das Gabler Wirtschaftslexikon bezeichnet Entrepreneurship als „[…] das Ausnutzen unternehmerischer Gelegenheiten sowie den kreativen und gestalterischen unternehmerischen Prozess in einer Organisation, bzw. einer Phase unternehmerischen Wandels“. Nach dieser Definition hätte sich der halbe BDSU auf ein Projekt wie den #BDX20_ stürzen müssen. Wandel durch Corona all over the place, Chancen für kreatives Gestalten von digitalen Eventformaten everywhere. Sehr zu meiner Frustration wussten auf die Frage „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ die wenigsten eine akzeptable Antwort außer „Jetzt nicht“. Natürlich entscheidet das Timing oft über Erfolg oder Misserfolg, aber war der Zeitpunkt des bayrischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder oder des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz für deren Entscheidungen für konsequente Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung richtig? Zu der Zeit war der politische Diskurs noch uneins darüber. Getroffen werden mussten sie aber. Das lag nun mal in der Natur der Sache. Genauso sollte die Bereitschaft progressive Entscheidungen zu treffen fundamental in der Natur Studentischer UnternehmensberaterInnen liegen.

Eine Entscheidung zu treffen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt richtig erscheint, ist immer besser als gar keine Entscheidung.

Keineswegs möchte ich hier für unüberlegtes Lospreschen und ausufernde Narrenfreiheit plädieren, jedoch habe ich mir häufiger in den vergangenen 3,5 Jahren BDSU einen selbstbewussteren Umgang mit Risiken gewünscht. Wir sind Studierende, die meisten gerade Anfang 20, das hier ist alles Ehrenamt, Arbeitsplätze oder Gehälter sind nicht in Gefahr, niemand muss regelmäßig die Aktionäre ihrer JEs (studentische Beratungen) mit Wachstumszahlen beglücken… wovor haben wir denn Angst? In meiner Wahrnehmung stehen viele von uns im persönlichen Leben unter dem elterlichen Karrieredruck, dass auch ja was wird aus dem Kind. Wir erfahren akademischen Druck durch Androhung schlechter Noten, falls wir uns Fehler in Klausuren erlauben. In Unternehmen wollen wir uns natürlich beweisen und können uns oft als PraktikantInnen und Werkstudierende erst recht keine groben Schnitzer leisten. Was dahingehend auf Social Media so passiert, würde den Rahmen hier vollends sprengen. Aus genau diesen Gründen ist es auch umso schlimmer, wenn wir häufig selbst diese Rollen annehmen, obwohl wir unter uns sind. Zu oft sehen wir JEs nicht einfach als hedonistische Inkubatoren für dessen Mitglieder. Wir versteifen uns, so wie wir es uns bei den Profis abgeschaut haben. Wir fühlen uns besonders professionell und erwachsen, wenn wir uns auf Teams oder bei Mitgliedertreffen gegenseitig feedbashen und aneinander herumkritisieren. Damit setzen wir uns selbst ans Steuer der Planierraupen, die unseren Ideenspielplatz einebnen. In allen Bereichen unseres Lebens bekommen wir Druck von extern und dann schaffen wir ihn uns verbandsintern auch noch selbst. Abweichungen von Prozessen oder Fuck-Ups werden selten akzeptiert. Kann ich daran etwas ändern? Nicht allein. Kommt irgendwann für uns alle der Zeitpunkt, an dem dieser Druck pauschal nachlässt und ultimativer Sicherheit weicht? Sicher nicht.

In meiner Wahrnehmung gab es den auch noch nie und es wird ihn auch niemals geben. DEN perfekten Zeitpunkt, zu dem wir dann jedes Mal den großen grünen Knopf drücken dürfen. Selbst Eltern, ProfessorInnen oder BetreuerInnen in Unternehmen können gerade mal ein paar KPIs oder Weisheiten in die grobe Richtung werfen, in der sie erfahrungsgemäß den Knopf an sich vermuten. Welche Auswirkungen eure Entscheidungen dann auf eure Gegenwart oder Zukunft haben, kann niemand prophezeien. Die Konsequenz daraus darf für uns jedoch nicht sein, abzuwarten und auf bessere Zeiten zu hoffen. Eine Entscheidung zu treffen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt richtig erscheint, ist immer besser als gar keine Entscheidung. Nachzubessern oder ggf. auch zu revidieren ist gerade im BDSU besser als nichts zu tun. Frei nach dem Motto: Besser zu früh als zu spät. Vor allem wenn man bedenkt, wie wenig Zeit wir seit Bologna überhaupt noch in unseren JEs verbringen dürfen. In drei Jahren Bachelor, abzüglich Auslandssemester und Praktika, bleibt eigentlich gerade genug Zeit, um für jede/n von uns persönlich das optimale Verhältnis aus Mut, Wissen und Überzeugung zu finden. Mut etwas zu tun, dass man vorher noch nie getan hat. Wissen, das uns als Fundament sowohl für Luftschlösser als auch für Kathedralen dienen kann. Überzeugung, aus der man egal zu welchem Zeitpunkt Entscheidungen treffen kann. Und das eben auch ab und an entgegen der Meinung anderer.

Ohne ein gesundes Maß an Mut, hätten wir den Kick-Off am 14. April abgesagt. Nach der Wahl Mitte Mai wäre dann sicherlich erstmal „kein guter Zeitpunkt“ mehr gekommen.

Ohne das Wissen der Key Account Manager, der IT Stabstelle oder der lokalen BDSU Vertretungen, hätten wir nicht knapp 200 BDSUlerInnen erreicht, damit sie sich innerhalb einer Woche bewerben.

Ohne die geteilte und vorgelebte Überzeugung der heutigen 2. Vorsitzenden Eliza und mir, hätten wir nie acht BDSU Kuratoren, vier BDSU Alumni und drei BDSU TrainerInnen für die Teilnahme am BDSU DIGITAL.EXCHANGE 2020 begeistern können.

Stattdessen haben wir den Ausfall des Frühjahrskongresses ausgenutzt, indem wir ein geeignetes Eventformat kreativ und gestalterisch entwickelt haben, wodurch wir das bisherige Geschäftsmodell des BDSU differenzieren und digitalisieren konnten. Was war dafür gleich noch die Definition? Ach ja.
Junior Entrepreneurs.

 

Zum Autor: Philip Oepen (26) war im Amtsjahr 2019/20 2. Vorsitzender und Bundesvorstand für Unternehmenskontakte im BDSU. Gemeinsam mit Amtsnachfolgerin Eliza Mertins hatte er den #BDX20_ initiiert und die Tandem-Projektleitung übernommen. Zuvor war er in seiner Heimat-JE consult.IN e.V. (Ingolstadt) ebenfalls 2. Vorsitzender und war dort schon Projektleiter des BDSU Arbeitskreistreffen 2018 in Ingolstadt.

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