On-Off-Beziehung: Werbung

Unternehmenskommunikation in Zeiten der Digitalisierung: Social Media oder geht’s auch anders?

Das Budget, das für Online-Marketing ausgegeben wird, hat im Gesamtdurchschnitt alle anderen Marketingsparten überholt. Über neun Milliarden Euro wurden laut einer Studie der deutschen Post zum nationalen Werbemarkt – dem „Dialogmarketing-Monitor 2017“ – dafür ausgegeben. Trotzdem ist das Anzeigenmarketing immer noch das meistgenutzte Werbemedium der Branche. – Eine Beobachtung dazu von Marie H. Fleßner.

 

Seit fast vier Jahren wohne ich in der Nähe von Hamburg.  Veranstaltungen und Events, die ich besuche und für die ich mich auf Facebook interessiere, finden im Umkreis von Hamburg statt. Ich habe mich längst daran gewöhnt und vertraue dem Algorithmus, der mir vorschlägt Konzerte von Künstlern zu besuchen, die meinem Spotify-Musikgeschmack entsprechen und auf Partys zu gehen, die stilistisch zu allem passen, was mich auf Social Media ausmacht. Dann der Schock: Über Instagram wurde mir ein Werbepost angezeigt von einer Disco (ja, sie bezeichnet sich auch selbst als Disco) aus meiner dörflich geprägten Heimat. Im ersten Moment dachte ich es wäre nur ein ganz normales Partybild einer meiner Bekannten. Im zweiten Moment erkannte ich das Logo der 231 km entfernten Dorfdisco und das Siegel „Werbung“.

 

Ist Online Marketing noch hip, wenn sogar die ranzigste Feten-Scheune potenzielle Besucher über Instagram erreicht?

Ich weiß es nicht. Aber effizient, um eine genaue Zielgruppe zu definieren und anzusprechen, scheinbar schon.

Es wird von Informationsüberflutung durch das Internet gesprochen. Wer Gangster sein will, bricht nicht mehr bei Omi ein, um unterm Kopfkissen nach dem Strumpf mit Scheinen zu suchen, sondern hackt Social-Media-Accounts und vertickt dann an Datenverarbeitungsunternehmen Einsen und Nullen.

 

Für die Werbung bedeuten die riesigen Datensätze, dass Kampagnen durch richtige Analyse individuell auf Zielgruppen zugeschnitten werden können – sowohl im Design als auch in der Art der Ansprache. Bei meiner Dorfdiskothek hat das mit der Analyse scheinbar richtig geklappt. Mehr oder weniger jedenfalls.

Für die reduzierte, dafür aber gezieltere Streuung von Inhalten kann künstliche Intelligenz sorgen. Und die verlangt noch nicht mal Mindestlohn dafür. Social Media- und E-Mail-Marketing verursachen somit am wenigsten Kosten im Onlinemarketing. Was wiederum ein Grund dafür sein dürfte warum es innerhalb dieser Sparte auch das beliebteste Werbeinstrument ist.

Vor jedem zweiten You-Tube-Video, das ich mir anschauen will, muss ich mindestens fünf Sekunden lang einen Werbespot über mich ergehen lassen.

Alle zehn Profile, die ich auf Tinder nach links swipe erscheint eine Anzeige, die mit mir flirten möchte. Und wenn ich mir bei Xing einen Artikel durchlese, finde ich den Text zwischen all der Werbung kaum.

 

Die große Hoffnung im Onlinemarketing: Viral gehen.

Die Botschaft verbreitet sich durch das Teilen und liken der User in rasender Geschwindigkeit im Netz. Damit erreicht sie effizienter mehr Menschen als es die bezahlte Werbung im Zweifel könnte. Experten setzen dabei auf Content-Marketing. Dabei steht die Werbebotschaft eher im Hintergrund, da der Inhalt dem User einen Mehrwert bietet. Das kann zum Beispiel in Form von Unterhaltung sein, wie es „Funk“ tut und oder Neuigkeiten wie man sie auf dem Informationsportal von T-Online findet. So kann auf subtile Weise unsere Aufmerksamkeit gewonnen werden – das wohl knappste Gut der Millennials und der Generation Z und gleichzeitig die größte Herausforderung der Marketer.

Einher mit der Definition der Generation Y und Z (geboren zwischen den 80ern und 2000ern und um die Jahrtausendwende) geht die Eigenschaft, dass sie allesamt Digital Natives sind. Sie sind mit digitaler Technik und Medien aufgewachsen und kaum jemand von ihnen besitzt kein Smartphone. Ich gehöre auch dazu. Wer aber glaubt, mich nur noch über online aufbereitete Inhalte zu erreichen, irrt sich. Das Internet ist für mich alltäglich und gehört einfach dazu. Aber was mir in Erinnerung bleibt sind vor allem haptische Erlebnisse, positive Erfahrungen und das was irgendwie anders ist. Und gerade bei der Menge an Werbung die uns online erreicht, ist das was analog auftritt etwas Besonderes. Ein bisschen Mut gehört natürlich auch dazu andere Wege auszuprobieren. Hier ein paar Beispiele wie Marketing auch offline funktionieren kann:

 

Retter am Deich. Das Toastbrot liegt im Schlamm, das letzte Bier ist umgekippt und irgendjemand hat den Dosenöffner gegen deinen Schlafsack eingetauscht – wie gut, dass auf dem diesjährigen Deichbrand Festival Aldi Nord seine größte Filiale aller Zeiten eröffnet hat. Die Kampagne wurde begleitet von Gewinnspielen, T-Shirt-Druck-Aktionen und Themenwochen in den Märkten. Die Supermarktkette will sich so als attraktiver Discounter für eine jüngere Zielgruppe neu positionieren. Als Retter in der Festivalnot dürfte das gelingen.

 

Vom PR-Gag zum Musik-Act. Ebenfalls auf vielen Festivals zu sehen: die Jägermeister Blaskapelle – „So moving! So hot! Much wow!“ – beschreibt sie sich selbst auf der Homepage. Die Kapelle ist eines der besten Beispiele für gelungenes Offline-Content- Marketing. Um zu beweisen, dass Partystimmung und Jägermeister zusammengehören, tourte die Kapelle 2012 durch Deutschlands Diskotheken. Die Kombination von traditioneller Blasmusik und aktuellen Hits funktionierte so gut, dass die Kapelle mittlerweile selbst als Musik-Act auf Festivals angekündigt wird und sogar bei mit einzelnen Künstlern auf Tour ging.

 

Außenwerbung geht viral. Bla, Bla, Bla… Als Anfang März überall in Hamburg und Berlin schwarze Plakate, auf denen nur „Bla Bla“ stand, zu sehen waren, tauchte die Werbung auch überall in den Sozialen Netzwerken auf – es schien der perfekte Selfie-Hintergrund zu sein und als Untermauerung für persönliche Statements zu dienen. Das Newsportal watson.de löste ein paar Wochen später die Botschaft auf. Wo vorher die Bla-Bla-Plakate hingen, erschien nun der Slogan „News ohne Bla Bla“ womit auch der Absender der Botschaft aufgelöst wurde. Die Selfies bleiben im Netz.

 

Marie H. Fleßner studiert Kulturwissenschaften in Lüneburg. Wenn sie nicht gerade auf Instagram oder in Diskotheken wichtige Analysen zum Zweck der Forschung durchführt, schreibt sie an ihrer Bachelorarbeit und jobbt in einer Kommunikationsagentur in Hamburg.

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