Erst mal zu mir: Ich bin 24 Jahre alt, seit 2 Jahren in meiner JE (zum Zeitpunkt der Wahl 1,5 Jahre), war dort ein Jahr als Ressortleitung für Öffentlichkeitsarbeit tätig und bin nun Ressortleitung für Öffentlichkeitsarbeit beim BDSU e. V.
Am 29. April 2019 habe ich mich in meiner JE zur Wahl für das Amt der Vorstandsvorsitzenden und Vorstand Externes aufstellen lassen. Und ich habe verloren. Das klingt erst mal nach Scheitern und das war es auch, aber es war trotzdem das Beste, das mir hätte passieren können und mein größter Erfolg.
Darüber nachgedacht, mich zur Wahl stellen zu lassen, habe ich das erste Mal im August 2018, als der damalige 1. Vorsitzende mir diese Idee in den Kopf setzte. Dann habe ich ein Dreivierteljahr darüber nachgedacht und in mir ist das Verlangen danach immer gewachsen.
Ich hatte Ideen und Ziele, die ich umsetzen wollte, habe angefangen Pläne zu machen und Strategien auszuarbeiten. Ich war mir sicher, dass ich die einzig richtige Wahl für diese Position war. Zu sicher. Denn ich bin auch davon ausgegangen, dass ich gewählt werden würde. Ich war so überzeugt von mir und der Arbeit, die ich bis dahin für den Verein geleistet hatte, das müssten die anderen doch auch sehen und belohnen.
Dann kam der Wahlabend. Ich war vorbereitet, konnte meine Präsentation auswendig und war bereit. Das Gefühl nach der Präsentation war unbeschreiblich. Ich war unglaublich stolz darauf, das durchgezogen zu haben. Vor einigen Jahren, hätte ich es mir absolut nicht vorstellen können, mich für so etwas in Betracht zu ziehen und vor so vielen Menschen so eine Präsentation zu halten und mich so verletzlich zu machen.
Nachdem abgestimmt wurde, wurden die Wahlzettel vorne vorgelesen und an der Tafel Striche neben unseren Namen, meinem und dem meines Konkurrenten, gemacht. Ab jetzt verlief alles in Zeitlupe. Ungläubig sah ich zu, wie ich verlor. Ich fiel aus allen Wolken, war zutiefst enttäuscht von meinem Verein. Ich hatte immerhin ein Jahr lang alles gegeben für sie. Weitere 3h dauerte dieser Wahlabend. 3h sitzen und lächeln, obwohl mir nicht danach war.
Das klingt nun erst mal nur nach Scheitern. Warum ist das rückblickend so ein Erfolg für mich gewesen?
Die erste Lektion, die ich gelernt habe, ist, dass nicht alles fair ist. Gerade im Beruf. Ich war davon ausgegangen, dass Engagement und harte Arbeit das wären, was zählen würde und was die Leute sehen und wertschätzen. Aber Selbst- und Fremdwahrnehmung sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Was eben auch zählt und was die Leute sehen, ist, was man verkauft und wie man sich präsentiert.
Ich würde es dennoch nicht viel anders machen, könnte ich es noch mal neu machen. Ich würde mehr mit Leuten gezielt reden und diese um ihre Unterstützung bitten, allerdings genauso ehrlich bleiben, wie ich war. Denn ich bin auch stolz darauf, in diesem Wahlkampf komplett ich selbst geblieben zu sein.
Bis dahin war dieses Amt mein größtes und höchstes Ziel. Ich habe noch nie etwas so sehr gewollt und mich so ins Zeug gelegt für etwas und dann verloren. Was danach kam, hat mir gezeigt, dass auch, wenn man nicht den erwarteten Erfolg hat, es besser ist, es zu versuchen und zu scheitern, als es gar nicht erst versucht zu haben. Ich habe nun erlebt, wie es ist, so zu versagen, und dass ich es durchgestanden habe, und kann sagen, es macht keinen Spaß, aber man übersteht es. Und man ist danach stärker, als man vorher war.
Die nächste Herausforderung war, wie ich nach der Wahl weiter mache. Ein Dreivierteljahr lang hatte ich damit gerechnet, dieses Amt zu übernehmen. Und nun stand ich ohne Aufgabe da. Für jemanden wie mich, der gerne 24/7 beschäftigt ist, keine einfache Situation. Schnell präsentierte sich mir meine nächste Aufgabe, mein Amt im BDSU, als Ressortleitung für Öffentlichkeitsarbeit. Das war eine neue Herausforderung, ein neuer Drive, eine neue Möglichkeit für Entwicklung und Weiterbildung mit genauso motivierten und engagierten Menschen, Gleichgesinnten. In diesem Amt kann ich mich seither weiterbilden und neue Fähigkeiten für mich erschließen.
Was ich auch noch gelernt habe, ist, mit erhobenem Haupte dem Verein gegenüberzutreten, der mich abgelehnt hatte. Ganz normal mitzuarbeiten. Mit Menschen an meiner Seite, die mich unterstützen, war das gar nicht mehr so schwer. Ich habe gelernt, mich zurückzunehmen und zu akzeptieren, dass ein anderer das bekommen hat, was ich mir gewünscht habe und damit abzuschließen. Mehr noch, ich habe gelernt, wie ich über meinen Schatten springe und mit dieser Person zusammenarbeiten kann. Und zu akzeptieren, dass, wenn dieser gewählt wurde, er auch die richtige Person für das Amt und den Verein ist.
Der Punkt dieses Artikels ist, dass man aus jeder neuen Situation, der man sich stellt, etwas lernen und sich entwickeln kann. Man sollte keine Angst vor dem Scheitern haben, denn gerade dort lernt man am meisten und man überlebt es. „What doesn’t kill you, makes you stronger“.
Ich bin auf vielen Ebenen gescheitert mit dieser Wahl, aber ich würde diese Erfahrung nicht gegen ein anderes Ergebnis eintauschen, weil ich noch nie an einem Abend so viele wertvolle Lektionen auf einmal mitgenommen habe. Ich habe mehr Selbstbewusstsein daraus mitgenommen, als ich bisher hatte. Ich bin stolz auf mich, ich kann nämlich ohne Zweifel sagen, alles gegeben zu haben. Mich aus dieser Situation wieder aufzubauen, hat mir eine neue Perspektive gegeben. Ich weiß nun, egal was ist, es geht weiter und ich gehe stärker aus jedem Scheitern hervor.