Am Anfang jeden Semesters wird eine studentische Unternehmensberatung auf den Kopf gestellt – Im Rahmen der Anwartschaft treten neue Personen mit unterschiedlichen Arbeitsweisen, Charakteren und Zielen einer eng verwobenen Gemeinschaft bei. Wir bei INSTEAD e. V. haben uns gefragt: Wie denken dabei die einzelnen Stakeholder einer JE? Wir geben euch einen Einblick in die Gedanken von Mitglied, Anwärter und Vorstand aus Passau.
Lisa Donath, Mitglied des Akquiseteams und Datenschutzbeauftragte von INSTEAD und seit dem Wintersemester 2018/19 dabei, beginnt mit einer nüchternen Betrachtungsweise über die Ankunft der Anwärter:
JEs sind Überraschungseier
Jedes Semester bewerben sich neue AnwärterInnen bei der studentischen Unternehmensberatung INSTEAD in Passau. Jedes Semester möchten Studierende aus den verschiedenen Studienrichtungen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten ihr Können unter Beweis stellen. Jedes Semester stellt es den Verein vor neue Herausforderungen, die richtigen AnwärterInnen zu rekrutieren und integrieren, aber auch Möglichkeiten.
Das Anwartschaftssemester bietet uns MitgliederInnen sowohl bei formellen Vereinsveranstaltungen als auch bei der ein oder anderen Büroparty die Möglichkeit, neue Leute kennenzulernen. Als Mentor oder PSV (Projektcontroller bei INSTEAD, Anm. d. Red.) erhält man außerdem Einblicke in die Arbeitsweisen und den Wissensstand der Anwärterteams in Beratungsprojekten.
Der Verein wird regelmäßig neu durchmischt, was die Stimmung und Dynamik des Vereinslebens jedes Semester stark verändert. Natürlich ist der Verein ein eingespieltes Team, welches seine neuen potentiellen MitgliederInnen erst einmal auskundschaften möchte. Natürlich mit einer gesunden Anfangsskepsis gegenüber AnwärterInnen versehen, da mitunter grundlegend andere Ansichtsweisen durch die Neulinge in Bezug auf Projektarbeit und Vereinswesen eingebracht werden. Beim Zusammentreffen wird deshalb aus Sicht beider Parteien viel diskutiert und hinterfragt. Meistens geht man als Mitglied doch mit dem Gedanken
- „Viel können die nicht…“ oder
- „Na, das kann ja was werden.“
nach Hause. Aber keine Angst: Die meisten der AnwärterInnen können im Laufe des Semesters das Gegenteil beweisen.
Trotz aller Skepsis lebt der Verein von diesen verschiedenen Perspektiven. Die von den AnwärterInnen in den Verein hineingetragenen Skills und Mindsets bringen den Verein enorm voran, wovon wir gestandene MitgliederInnen natürlich auch profitieren. INSTEAD ist deshalb jedes Semester ein neu zusammengesetztes Überraschungsei, das nicht nur Brücken zwischen Theorie und Praxis, sondern auch zwischen Menschen baut und dadurch neue Freundschaften entstehen lässt.
Anna Pletschacher, Anwärterin im letzten Sommersemester 2020, spricht über die ersten Tage in der zuvor unbekannten Welt der JEs:
Und es hat Zoom gemacht!
Als das Sommersemester begann, saß ich, wie wahrscheinlich die meisten Studierenden in Deutschland, an meinem Schreibtisch in der Heimat und versuchte mich auf meine Arbeitsaufträge, ZOOM-Meetings und Vorlesungsvideos zu konzentrieren. Als ich eine E-Mail zur Information über diese Hochschulgruppe mit dem Namen INSTEAD bekam, habe ich interessiert gelesen, was die denn so machen und war sofort begeistert. Es schien mir wie eine Abwechslung zu meinem Uni-Alltag, der aus sturem Lernen in Einsamkeit an meinem Schreibtisch bestand, um endlich etwas Austausch mit anderen Studierenden zu haben.
Nach meinem digitalen Bewerberworkshop hatte ich das Gefühl, auf ganzer Linie versagt zu haben und rechnete fest damit, auf keinen Fall angenommen zu werden. Ich war sehr eingeschüchtert, da mir gegenüber – zumindest in meinen Augen – absolute Cracks saßen, vor denen ich mich bis auf die Knochen blamiert hatte. Umso überraschter und super happy war ich beim Erhalt der Nachricht, dass ich als Anwärterin dabei sein darf.
Bereits nach wenigen Tagen hatten wir unsere ersten Schulungen coronabedingt via Teams. Anfangs war es sehr viel Input. Diese Überflutung an Informationen konnte ich nicht gänzlich aufnehmen, da ich mich nicht – wie in einem normalen INSTEAD-Semester – mit den anderen AnwärterInnen über alles austauschen konnte.
Nach der Einteilung der Projektteams haben wir sehr viel Zeit für unser Angebot investiert um eine gute Grundlage für unser weiteres Vorgehen zu legen. Der Druck stieg mit dem Fortschritt des Projekts: Deadline links, Deadline rechts. Und warum muss mein Team eigentlich jede Woche ein Projektupdate an den 3. Vorstand schicken? Spaß hat es trotzdem richtig viel gemacht – und das, obwohl wir uns noch nie im echten Leben getroffen hatten.
(Mittlerweile hat Anna die Anwartschaft erfolgreich abgeschlossen, hat die Überflutung an Informationen gut überstanden und konnte endlich ihr Projektteam im echten Leben treffen, Anm. d. Red.)
Philipp Ziemek, 1. Vorstandsvorsitzender und seit Sommersemester 2018 bei INSTEAD, erzählt von Situationen im Zusammenhang mit AnwärterInnen, die für Erkenntnisse sorgen:
Alles lösbare Probleme
Wenn wir uns in eine Vorstandssitzung zum Ende der Amtszeiten begeben, wird vermutlich dieses hochgradig interessante Schauspiel zu beobachten sein: Vier Vorstände sitzen um einen Tisch herum und starren die Wand der Vereinsmitgliederfotos an. „Was machen die da?“ wird der ein oder andere Leser sich nun fragen. Der Vorstand hat gerade ein kleines Problem erkannt. In wenigen Wochen beenden unsere zwei besten Masterstudierenden ihr Studium, unser engagiertestes Akquiseteammitglied ist für sechs Monate im Ausland, drei der vier aktuellen Vorstände beginnen ein Praktikum und Spaß-auf-jeder-Party-Hannes wechselt den Universitätsstandort. Wenn dieser Moment der Realisation kommt, und er kommt in einer kleinen JE wie INSTEAD, verfällt man in Panik. Wer ist nächstes Semester qualifiziert genug für Projekte, Akquise, Beirat, Vorstand, Spaß auf Partys, etc.? In 99 von 100 Fällen wird folgender Spruch fallen: „Es kommen ja viele Neue dazu, die werden auch was können.“ Wenn dieser Satz gefallen ist, treibt die angespannten Vorstände ein Gedanke: „Neulinge sind mindestens ein ebenso wichtiges Gut wie erfahrene Mitglieder“. Fluktuation ist schließlich unvermeidbar.
Wem muss ich das Projektupdate schicken? Wann ist die Schulung? Ich habe mein Passwort vergessen, hilfst du mal? Was ist der BDUS oder so? Der Kunde antwortet nicht, was sollen wir tun? Wann ist die Weihnachtsfeier? Was sind Kuratoren? Wie lang geht die Anwartschaft noch? Fragen. Mehr Fragen. Viele Fragen. Fragen, die ich 1:1 so schon als Vorstand gestellt bekommen habe. An sich ist da gar nichts schlimm dran. Bedenkt man aber, dass diese Fragen zu jeder Uhrzeit (mein Favorit war die Frage „Kannst du mir den Büroschlüssel besorgen? ASAP pls“ um 03:00 Uhr morgens) und die gleiche Frage unzählige Male von unterschiedlichen AnwärterInnen hört, dann zweifelt man gerne an seiner Entscheidung sich als Vorstand aufgestellt zu haben.
Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen (es machte erst beim dritten Vorstandsamt Klick), dass man den AnwärterInnen (meistens) mit dem Beschweren Unrecht tut.
Der Neuling in der Gemeinschaft findet sich nicht zurecht, hat ein für ihn unüberwindbares Problem an der Backe oder ist einfach am Verein interessiert. Warum sollte man dabei nicht mit einer Antwort unterstützen? Im Idealfall erschafft der erfahrene studentische Berater mit der Beantwortung der Frage eine künftig treibende Kraft im Verein. Uns geht es schließlich „nur“ auf die Nerven, aber das ist wohl verkraftbar.
Zum Abschluss noch ein kleines Schmankerl, welches eher die Mitglieder und weniger die AnwärterInnen betrifft. Jede Anwärtergeneration sei die Beste gewesen. Wie ich das meine? Pünktlich nach dem ersten Anwärterprojektupdate unserer wöchentlichen Dienstagssitzung beginnt die Diskussion unter den Mitgliedern: „Also im letzten Winter haben wir aber härtere Kunden gehabt. Die jetzt sind ja richtig easy.“, „In unserem Sommer hatten wir viel mehr BT geleistet als die jetzt!“ oder (mein Favorit) „Die Qualität der Projekte sinkt ja auch von Semester zu Semester, kein Vergleich zu unserem damals!“. Wenn man sich die Kommentare so zu Gemüte führt, müsste eine studentische Unternehmensberatung eigentlich bereits nach wenigen Semestern qualitative Wüste sein. Ist sie aber nicht. Am Anfang des letzten Sommersemesters schaute ich mir mein altes Anwärterprojekt an und musste mit Erschrecken feststellen, dass dieses Projekt in der Form heutigen Standards nicht mehr entsprechen würde. Nach nur zwei Jahren! Gerne überschätzen wir uns und unsere Leistungen, insbesondere wenn sie bereits weit zurückliegen. Das an den neuen Anwärtern auszulassen, ist unfair.
Über die AutorInnen
Lisa (23, Bachelor International Cultural and Business Studies) ist Teilhaberin an der Modemarke Campus Passau. Die Integration von AnwärterInnen bei INSTEAD liegt ihr besonders am Herzen und deshalb übernahm sie auch die Stabsstelle Mentoring. „Jede studentische Unternehmensberatung ist nur so gut wie Ihre Mitgliederinnen und Mitglieder. Wir müssen verstehen, dass wir vor allem als erfahrene Mitglieder die AnwärterInnen fördern, damit sie später genauso angezündet werden, wie wir alte Hasen es schon sind. Genau das sollten Mitglieder von studentischen Unternehmensberatungen bundesweit immer auf dem Schirm haben.“ @Lisa Marie Donath (LinkedIn)
Anna (19, Lehramt Englisch Wirtschaftswissenschaften und Bachelor International Cultural and Business Studies) ist seit Beginn des Sommersemesters bei INSTEAD und engagiert sich im QM-Ressort des BDSU. „Mein Engagement im BDSU beruht auf meiner Freude daran, neue Erfahrungen zu sammeln und interessante Menschen kennenzulernen.“ @Anna Pletschacher (LinkedIn)
Philipp (23, Bachelor Sprach- und Textwissenschaften) ist sehr vielseitig im BDSU engagiert (Ressortmitglied Unternehmenskontakte und Key Account Manager für Celonis und ZEB) und seit dem Sommersemester 2020 1. Vorstand für Netzwerk und Akquise bei INSTEAD e.V. in Passau. “Für mich ist der BDSU und INSTEAD wie eine zweite Familie. Mir bedeutet es persönlich viel, mit Menschen aus ganz Deutschland zusammenzuarbeiten, die sich genauso als Studierende als auch studentische UnternehmensberaterInnen fühlen wie ich.” @Philipp Ziemek (LinkedIn)
Welche Perspektive habt ihr auf die Anwärterintegration und Mentoring von jungen studentischen UnternehmensberaterInnen? Lasst gerne einen Beitrag unten in der Kommentarsektion einen Beitrag da! Wir freuen uns auf eure Meinungen.